Die Wettervorhersage für Samstag war schon verrückt: Ca. 12 kn Wind und in Böen bis 22 kn. Mal sehen. Also gegen 10.30 Uhr auf, Hindeloopen war das Ziel, dafür sollte der Wind passen, wenn aus der Lemmerbucht rausgekreuzt. Die Windrichtung passte jedenfalls, um direkt nach dem Hafen Segel zu setzen. Und vorsichtshalber hab ich mal das zweite Reff eingelegt, um zu sehen, was mich so erwartet. Ausreffen geht immer. Aber hui, kaum war das Groß groß und die Fock gefockt, ging die Post ab. Binnen Sekunden gallopierte die Boundless auf 5,6 kn -langsam aber sicher an den vor mir motorenden Segelbooten vorbei, die sich das Segelsetzen wohl für später aufgehoben haben. 18-20 kn Wind -obere 5 Bft. Gut, dass ich im zweiten Reff war. Der Wind nahm aber erst Anlauf und beschleunigte dann in der folgenden Nieselregenlage auf über 25 kn. Genau konnte ich die Spitzen nicht kontrollieren -ich musste das 3. Reff händisch einbinden und die Fock auf die kleineste Reffstellung einrollen. Und trotzdem knackte ich die 7 kn. Ein heißer Ritt auf den Wellen. Ich überlegt kurz, ob Segeln heute die richtige Idee war. Der Himmer war von Nieselregen eingehüllt, die Sicht nicht übermäßig weit. Ich überlegte, ob das Wetter den ganzen Tag so bliebe -angesagt war es nicht. Aber hey, kneifen gilt nicht und Schwerwetterüben ist wichtig für die Sicherheit im Umgang mit dem eigenen Boot. Also weiter. Ein paar heftige Drücker wollten testen, wie Schräglagenfest ich bin. Kein Problem. Der Nieselregen dauert nicht lange, viel Sicht war trotzdem nicht. Die Logge sank nicht wirklich unter 6 kn -perfekter Speed. Zwischendurch ein lauter Knall und ich hangelte mich trotz der Schräglage nach unten in den Salon. Oh weh. Ich hatte alles weg geräumt. Fast alles. Den zum Laden auf den Schrank der Achterkabine gestellten Dyson hatte ich übersehen. Der übte zirkusreifen Salto und entledigte sich seines Dreckauffangbehälterbodens. Mist. Und was ist da? So etwas passiert mir eigentlich nie: Mein Handy hatte ich noch am Ladekabel -auch das hatte Flugübungen getestet... Aber Glück im Unglück, nichts kaputt, auch keine Schäden am Mobiliar. Also schnell wieder raus. Die Gischt spritzte über das Vorschiff, aber zügig kämpfte sich die Boundless durch das Ijsselmeer, das sein weißes Kleid aus brechenden Wellen angelegt hatte.
Über eine Stunde dauerte der Spuk, dann klarte es auf. Der Wind ging auf 16-20 kn zurück, das dritte Reff wurde ausgebunden. Der Speed blieb bei fast durchgehen über 6 kn. Bis zur Untiefe Vrouwezand kreuzte ich, durch den Vrouwezand selbst konnte ich dann auf gerade Kurs durch. Mittlerweile waren die Reffs raus, der Wind hatte sich bei guten +/- 15 kn eingependelt. Und wie es so kommt drehte der Wind ab Stavoren und ging auf bis zu 5 kn zurück. Jetzt waren nur noch 4,5 - 5,5 kn drin, und je mehr der Wind auf von hinten drehte, desto weniger. Die Sonne brach durch und Hindeloopen begrüßte mich mit blauem Himmel bei 18°C. Was für ein Oktoberwochenende! Die letzte halbe Stunde motorte ich. Der Gemeindehafen selbst war völlig leer, ich konnte mir aussuchen, ob Box oder wo ich liegen wollte. Am liebsten an der Wand vor der alten Schleuse. Gegen 15 Uhr war ich da und hatte noch einen tollen sonnigen Nachmittag vor mir.
Wie es so geht, drehte dann der Wind heute und kam jetzt aus der Lemmerbucht. Na ja, erstmal raus aus Hindeloopen und Segel gesetzt. Hmmm, 4,8 kn Fahrt. Und während ich darüber nachdachte, zu motoren, um in Lemmer überhaupt anzukommen, frischte es auf. 15 Minuten später war die Logge auf über 6 kn gestiegen. Was für ein Speed! So lange über 6 kn wie an diesem Wochenende war ich noch nie gesegelt. Vorbei an Stavoren und dann rein in die Lemmerbucht gekreuzt. Wild und heftig, bei vollem Segel und 18 kn Wind. Da ist normalerweise das 2. Reff eingebunden. Aber mit so viel Segelfläche hatte ich die Möglichkeit, extrem hart am Wind zu segeln und trotzdem viel Speed zu haben, um weniger oft kreuzen zu müssen. Erst als kurzzeitig der Wind deutlich über 20 kn anstieg, wurde erst das erste, dann das zweite Reff eingebunden. Dann kam die Unwetterwarnung der Revierzentrale über Funk. Aber ich hatte Glück und blieb verschont. Auch heute war ein perfekter Segeltag mit viel Freude, hin und wieder Sonne und am Schluss 19°C.
Ein tolles Segelwochenende, das mir viel Erfahrung in allen Geschwindigkeitslagen bescherte. Das Verhältnis von Windrichtung, Segelrichtung, Segelfläche und Geschwindigkeit verstehe ich ständig besser. Bei dem Wetter (5 Bft +) wäre ich früher im Hafen geblieben. Aber durch Länge und Gewicht des Bootes sind auch 5-6 Bft kein Thema, auch gefühlsfühlmäßig nicht. Nur das Ijsselmeer wird halt klein. Aber fürs Wochenende ist das ein perfektes Revier.
Die Saison ist noch lange nicht zu Ende. Auch nächstes Wochenende sind ca. 15 °C angesagt. Ich freue mich schon darauf.
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Anke & Han Lenz (Freitag, 03 Februar 2023 22:05)
Hallo Peter
Mit großem Interesse verfolgen wir deinen Blog sowohl auf deiner Homepage als auch auf dem Segeln Forum. Deine Erzählungen und Beschreibungen sind sehr anschaulich und schön zu lesen.
Ganz besonders interessieren uns deine Erfahrungen mit dem Schwenkkiel. Ich hatte gelesen dass du den Schwenkkiel auf dem IJsselmeer idR oben lässt auf 1,27m. Lässt es sich dann auch gut segeln bei viel >20kn Wind?
Kann man auch gut mit dem Schwenkkiel in einem Zwischenstand, zB 1,60 segeln und je nach dem, wo man grade segelt, flexibel die Tiefe anpassen?
Es gibt im Internet leider recht wenig hierüber zu lesen.
Wir freuen uns auf deine Rückmeldung.
Viele Grüße, Anke & Han
pf (Freitag, 03 Februar 2023 23:09)
Hallo Anke,
hallo Han,
wenn Ihr mir eine EMail schreibt, kann ich per Mail antworten und Ihr seht es. Hier müsst Ihr in den Blog sehen und kontrollieren ob eine Antwort da ist. Ich hoffe, sie erreicht Euch...
Wir hatten letztes Jahr meisten 16-24 kn -überhaupt kein Thema. Ab ca. 40° am Wind lässt sich vernünftig segeln. Einfach die Segelgröße anpassen, dann spielt es auch keine wirkliche Rolle, ob Kiel oben oder unten. Sicher ist es zu 100% und das Minimum an Geschwindigkeitsverlust spielt keine Rolle -es sei denn Ihr wollte regattieren. Ab 20 kn Wind und richtig angepasster Segelfläche seid Ihr je nach Windwinkel irgendwo zwischen 6 und 8 kn.
Das Problem mit dem Schenkkiel liegt darin, dass nicht angezeigt ist, wie weit er abgelassen ist. Du weiß also nicht, wann er wie tief ist. Du hast einen Knopf, den hälst Du gedrückt solange Du willst. Nach 22 Sekunden ist von ganz oben auf ganz unten oder umgekehrt fertig.
Es ist unter den 349er-Seglern auch nicht sicher, ob man mit teilabgesenktem Kiel segeln darf. Der Jeanneau-Händler in Stavoren, wo ich gekauft habe, sagt, ja, das geht problemlos. Ich war mit dem Ausprobieren bisher zu vorsichtig, weil ich bisher keinen Bedarf habe. Hinter der Waddenzee geht der Kiel runter und in Landnähe wieder hoch. Da vergesse ich nichts und kann auf dem Ijsselmeer beim Kreuzen auch problemlos bis an den Rand des Fahrwassers und z.B. den Vrouwezand ohne Bedenken durchsegeln.
Wenn Ihr nur über 30-40 cm redet, lohnt es sich nicht darüber nachzudenken. Den Effekt merkt Ihr wahrscheinlich nicht wirklich. Sicher kennt Ihr das YACHT-Video, in dem die 349 mit Normalkiel 1,9 m und mit Schwenkkiel ganz herabgelassen getestet wurde und ein merkenswerter Unterschied nicht fest gestellt werden konnte. ABER das sind dann 2,55 m! Ihr müsst also, um wirklich spürbare Performanceverbesserung zu bekommen, auf mindestens 2 m herablassen.
Herzlichen Gruß
Peter